Neurodivergent? Einfach nur Spielen gibt’s nicht für dich.
(Dieser Text ist die lose deutsche Übersetzung eines vorherigen Beitrages auf Medium.)
Meine Kollegin Kathrin Gerling und ich haben uns gewundert, was der aktuelle Stand der Forschung im Bereich digitaler Spiele und neurodivergenter Menschen im Bezug auf individual Spielmodi bzw. Benutzbarkeit ist. Der dazugehörige Artikel wurde nun veröffentlicht und ich versuche hier unsere Ergebnisse kurz zusammenzufassen. Bevor wir anfangen, aber kurz: Wow, wir waren so naiv. Wir sind selbst neurodivergent und wir fanden es immer schwieriger unsere Analyse durchzuführen, da wir uns wiederholt damit beschäftigen mussten, wie unsere vermeintlichen Kolleg*innen auf neurodivergente Personen verweisen. Und dass sie damit uns auch meinten. Aber fangen wir von vorne an.
Am Anfang unserer Arbeit waren wir neugierig darüber, wie Spiele-Forschung in der Mensch-Maschine Interaktion neurodivergente Bevölkerungsgruppen konzeptualisiert und bedient indem wir uns auf Modelle aus den Behindertenstudien (Disability Studies) und der Self-Determination Theory bedient haben. Im Zuge einer deduktiven wit induktiven thematischen Analyse von 66 Beiträgen, haben wir vier relevante Parameter identifiziert: Teilnehmer*innen, Forschungsansätze, Spiel und Zweck. Diese illustrieren wie neurodivergente Menschen maßgeblich durch eine medizinische Linse identifiziert werden, von der Gestaltung und Bedeutungsbildung der Spiele ausgeschlossen werden, und hauptsächlich erwartet werden, in medizinischen wie edukativen Kontexten zu spielen, in denen ein extrinsischer Zweck das Spiel antreibt.
Unsere Ergebnisse zeigen das existierende Projekte maßgeblich eine Perspektive des Serious Gaming annehmen und Spiel fast ausschließlich externen Zwecken zuordnen. Daher werden Spiele entwickelt, die entweder spezifische Charakteristika korrigieren wollen oder versuchen, Individuen von neurdivergenten Eigenschaften, die als unerwünscht wahrgenommen und identifiziert werden, zu heilen. Zudem zeigen unsere Ergebnisse eine Bevorzugung jüngerer Spieler*innen, oft von Kindern, während nur wenige Projekte sich mit den Bedürfnissen neurodivergenter Erwachsener auseinander setzen. Ähnlich gelagert stellt sich dar, dass die meisten Projekte zwar neurodivergente Menschen in der Evaluation von Systemen eingebunden haben, aber die Involvierung des Zielpublikums im Rahmen der Gestaltung weniger üblich war. Generell zeigen unsere Ergebnisse, dass es nur wenige Beispiele für Projekte gibt, die versuchen freies Spiel, d.h. Unterhaltungsspiele für ein generelles Publikum, anzubieten; die Form von Spiel, die am meisten von neurotypischen Menschen genossen wird.
Indem wir Teilnehmer*innen, Methoden, Spiel und dessen Zweck kontextualisiert haben, konnten wir identifizieren wie medizinisches Wissen gleichzeitig überall und nirgends zu sein scheint und wie derzeitige Spiele daran scheitern, intrinische Motivation und Selbstbestimmung hierbei zu unterstützen. Stattdessen schreiben sie einen extern getriebenen Spielmodus vor, welcher effektiv Immersion und Vergnügen für neurodivergente Spieler*innen marginalisieren.
Die Gefahr hierbei ist, dass digitales Spiel nur als Verpackung von dominanten Erwartungen an neurodivergente Menschen verpackt wird anstatt uns zu erlauben… Sie wissen schon… Spaß zu haben? Auf unsere eigene Art? Vielleicht?